Archiv für das Tag 'Pool'

Ferienhaus Villa Fumone Short-Story

10. September 2009

PENINA UND ICH

Jaqueline sahen wir ab und zu sogar im Garten. Einmal schwamm sie mit uns und lachte laut, als Andreas ihr Wasser in den Nacken spritzte. Oskar dagegen verließ das Schlafzimmer eigentlich nur, um morgens und abends in der Küche vorm Kühlschrank in einem Affenzahn zwei Liter kalte Milch in sich hineinzukippen, die er in großen Schlucken trank, ohne den Tetrapack auch nur einmal vom Mund abzusetzen.

Dafür hatte er vorgesorgt: „Ich will nichts, keiner soll irgendwie reinkommen und sich dauernd bedanken oder sowas. Nehmt diesen Urlaub einfach an als ein Geschenk. Es ist vom Himmel gefallen, als Belohnung für alle Prüfungen und Examen, die wir je in unserem Leben bestanden haben. Vergesst mich vollkommen – aber sorgt für die Milch!“

Also vergaßen wir und fühlten uns einfach nur wohl – es fiel ja nicht schwer. Das Ferienhaus war riesig: vier Schlafzimmer mit Bädern, davon zwei en suite. Unseres, das wir uns mit Anna und Olaf teilten, hatte einen direkten Zugang zum Garten. Man konnte morgens nach dem Zähneputzen direkt im Nachthemd raus, die Vögel zwitscherten schon, in den Nachbarvillen war noch alles still – und dann: in den Pool. Der Trick war, dass man nicht nachdachte. Man musste schlaftrunken einfach die Richtung ändern, statt zurück ins Bett direkt über den spanischen Rasen, der unter den Fußballen leicht federte, rein ins Wasser, das natürlich kalt war, weshalb man quieken musste und prusten und jubeln, und dann kamen meistens auch schon die anderen – aufgeweckt durch das glückliche Lärmen – und danach machte irgendwer Frühstück und irgendwer buk ein paar Brötchen auf, und dann saßen wir bei aufgehender Sonne auf der Terrasse und froren nie, denn wir waren ja alle Liebespaare und die wärmen sich ja immer, auch wenn sie sich nur in die Augen sehen.

Salzwasserpoolspiegelung

Salzwasserpoolspiegelung

Theres wollte immer zum Meer. Aber sie hatte keinen Führerschein, also konnte sie die Leihwagen nicht fahren, also versuchte sie uns dauernd zu animieren: Strand! Sand! Alvor! Sonne! Wellen! Sonnenuntergänge! Eisessen! Fischerboote gegen den Horizont!
Salzpool! Bett! Sonne! Kühltruheneis! – hielten wir ihr entgegen; klar – das Meer sollten wir wenigstens einmal besuchen, aber wir konnten uns nicht aufraffen, wir kamen einfach nicht in die Gänge, wir hatten ja alles, was wir brauchten – und die Vorstellung neben schwitzenden Familien mit wieseligen Kleinkindern, UV-strahlengeschützt in einer dicken Cremehaut im Sand zu liegen war zumindest mir ein Graus.

Gepflegtes Ambiente für symmetrische Träume

Gepflegtes Ambiente für symmetrische Träume

Wenigstens gingen wir einmal im Meridien/Penina Golfresort golfen, das heißt, Oskar förderte aus einem seiner riesigen Koffer die entsprechende Tracht hervor: weiße Hosen mit Bügelfalte und Polos für die Jungs; weiße Röckchen, Polos und Söckchen für uns Mädels. Es würde reichen, wenn wir an der Rezeption seinen Namen nannten, meinte er – den Lehrer mit der Ausrüstung würden wir am Eingang treffen, drei Stunden, das sei für den Anfang genug.
Das beste waren dann die zweisitzigen Elektro-Buggys. Irgendwie konnten wir alle dem Golfen selbst nichts abgewinnen, der Ball war so klein und die Fläche, mit der man ihn treffen sollte, nicht groß genug. Anna fuhr mit ihrem Buggy fast den Lehrer um – ein weißhaariger, rotgebrannter Mann mit lila gesprenkelten Wangen und einer Zehnjährigenfrisur, die den Engländer auszeichnet – er konnte sich noch im letzten Moment zur Seite werfen; wir mussten leider furchtbar lachen, danach versuchte er uns mit seinem Blick zu töten, was ihm jedoch nicht gelang.

Gartendetail

Gartendetail

Einmal nachts erwachte ich mit einem schrecklichen Durst und ging leise in die Küche, um mir etwas zu trinken zu holen. Als ich mich damit in der Sala – dem portugiesischen Wohnzimmer, das in diesem Fall den Namen auch wirklich verdiente – auf einen der großen Sessel setzte, sah ich plötzlich aus dem Augenwinkel in der Kaminecke eine Bewegung. Ich sah genauer hin, es war ja dunkel, ich hatte kein Licht gemacht, um den Mond nicht zu erschrecken, da war nichts –  aber plötzlich querte ein Schatten die Fensterfront und setzte sich für einen kurzen Moment auf einen der Stühle am Tisch. Ich hatte keine Angst, weil ich mir sicher war, dass ich träumte, nur fühlte mein Bett sich anders an als gewöhnlich, ich tastete nach Stefan, doch da war nur ein Couchtisch. Der Schatten winkte, ich solle ihm folgen. Wir gingen hinaus und Gestalten in Polohemden tanzten auf dem Rasen um die Palmen und warfen sich Golfbälle zu. Sie bewegten sich ehrfürchtig zur Seite, als ich durch ihre Gruppe hindurch auf die Außendusche neben dem Becken zuschritt und den Kaltwasserhahn aufdrehte. Und während ich noch duschte, hörte ich viele Stimmen aufgeregt flüstern: „Seht! Was für eine Ehre! Sie ist es! Die große Anna Bandini, der Welt beste Turniergolferin!“

Maurischer Kamin vor Blau

Maurischer Kamin vor Blau

Ich bin dann Deutschlehrerin geworden. Aber vielleicht nur, weil ich im Nachhinein sicher gewesen bin, dass ich in der Nacht, in der ich mich irgendwann pitschnass und jämmerlich durchfroren im Bett wiederfand, NICHT geträumt hatte – und mir die Vorstellung von fröhlichen, wissensdurstigen, lebendigen Kindern im Vergleich zu harten, kleinen, gedellten Bällen doch reizvoller erschien.